Restart

Die Sammlung Ketterer ist zwar auch charakteristisch für die Persönlichkeiten der beiden Sammler, vorwiegend aber signifikant für das heutige Kunst-Schaffen und den aktuellen Kunstbetrieb. Gerade die Ambivalenz des künstlerischen Handelns – kaum einer der in der Sammlung vertretenen Künstler betätigt sich nur auf einem medialen Gebiet – wie auch die skizzierte Mehrdeutigkeit der in den Werken, Aktionen, Filmen etc. transportierten Formen, Ideen und Explikationen deuten darauf hin, dass der traditionelle Kunstbegriff, der Kanon der überlieferten Qualitätskriterien, auch jener der klassischen Moderne, in der Gegenwartskunst nicht mehr funktioniert, mit Absicht immer wieder (selbst in den im ersten Augenschein herkömmlich gestalteten, also in der Erscheinungsform vertrauten Arbeiten) in Frage gestellt wird.

Wobei es hier nicht um ein Können, eine handwerkliche Richtigkeit geht, diese ist per se gegeben (oder auch nicht notwendig), sondern um das Bewusstsein. Die Erkenntnis, welche in den Arbeiten aus der Sammlung Ketterer aufscheint, kann vorläufig umschrieben werden: Der Künstler und mit ihm das Werk haben im Grunde die von der Moderne erfundene und behauptete Autonomie der Kunst aufgegeben. Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die heutige Kunst markiert immer wieder aufs Neue Schnittpunkte – sie verhält sich interdisziplinär. Die Arbeiten sind gewissermassen Knotenpunkte zwischen Werk, Design, Marketing, Propaganda, Kunsttheorie, Alltag usw.

Das Wissen um die Informationsvernetzung, dem unerschöpflichen Austausch zwischen den ästhetischen, sozialen, politischen usw. Ebenen, prägt eben auch die Kunst, welche (weit mehr als früher) eine aktive Rezeption einfordert. Passive Kontemplation ist zwar noch möglich, weit wichtiger für das Verständnis – und letztlich für den Genuss, den Gewinn, den man aus der Beschäftigung mit Kunst ziehen kann – ist eine Haltung, welche das in den Kunst-Werken angedeutete Bedeutungs- und Beziehungsnetz – und wäre es in einer Schule des Befremdens (Peter Sloterdijk) – nachvollzieht, am Entstehen einer (manchmal zeitgeistigen) Sinngebung teilnimmt. Erst dann wäre das Postulat einer Interaktion zwischen Künstler, Werk und Rezipient eingelöst, in der nicht mit dem Kunstwerk oder dem Kunstbegriff hantiert wird, sondern in welcher der Informationsgehalt des Werkes den Wissenshorizont des Teilnehmers verändert.



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