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Der frühe Schwerpunkt der Sammlung, die so genannten Neuen Wilden, hier ausschliesslich die in Berlin arbeitenden Künstler, die sich im Gegensatz zu den Hamburger und Köln-Mülheimer Künstlern nie zu einer gemeinschaftlich tätigen Gruppe zusammenschlossen, entspricht im Grunde dem, was man von einer Kunstsammlung erwarten kann, die von Personen angelegt wurde, welche in den 1950er Jahren geboren sind und welche die Umbrüche der späten 1970er vielleicht nicht mitgestalteten, aber zumindest rezipierten: Es ist ganz einfach die Kunst der eigenen Generation – nicht die Kunst, mit der man aufwuchs, das wäre in diesem Fall die bunte Pop-art oder die spröde Konzeptkunst gewesen, sondern jene Kunst, die man gegen Ende der 1970er, zu Beginn der 1980er Jahre, parallel zur musikalischen Untermalung durch Punk, New Wave und Reggae, erlebte, bei der man – je nach Lust und Laune, Talent und Veranlagung – auch hätte teilnehmen und mitwirken können.

Denn die Neue Malerei war Teil einer (fälschlich in der Fachliteratur oft als postmodern bezeichneten) Kunstrichtung, in der ähnlich wie im Konstruktivismus, Dadaismus oder im Fluxus auf allen ästhetischen Ebenen, Theater, Musik, Literatur, Bildende Kunst, Design, Comic usw., im besten Sinne des Wortes, nämlich in jenem von Johann Wolfgang von Goethe, dilettiert wurde (Goethe, Johann Wolfgang von, et al.: Über den Dilettantismus., in: Goethes Werke, hg. im Auftrage der Grossherzogin Sophie von Sachsen, I. Abt., Bd. 47, Weimar 1896, 299ñ32); das heisst: es wurde ausprobiert, was geht, was das Leben zur Kunst bringt, formt und erhöht – und was die Kunst zum Leben führt, leben lässt – manchmal frech, manchmal innovativ, manchmal eben nur amateurhaft.

Künstler wie Helmut Middendorf, Rainer Fetting, Salomé und Elvira Bach (als Ausnahmeposition, damals nicht so recht wahrgenommen: Lothar Seruset) illustrierten mit ihren Werken nicht nur das Lebensgefühl einer Altersgruppe, sie inszenierten diese überschäumende, tabubrechende und selbstzweifelnde Sinnsuche der Kinder des europäischen Wirtschaftswunders und der Nachhut der 1968er Generation im Akt des Malens selbst – darin durchaus dem ursprünglichen Expressionismus der vorletzten Jahrhundertwende verwandt, in der ironischen Distanz zum Selbst aber weit weniger pathetisch, gelegentlich fast schon so cool, vielleicht auch zynisch bis sarkastisch wie die amerikanischen Fotorealisten: Die Zigarette jederzeit sie rette, wie Elvira Bach nicht sagte, sondern im Selbstporträt anschaulich realisierte/visualisierte.

Es ging den Künstlern weniger um Originalität als Authentizität, wobei das Authentische vielleicht gerade im Plagiat, in der Aneignung des Fremden, des bereits Vorgefundenen stattfand, wie exemplarisch die französische Kunstzeitschrift BAZOOKA des Künstlers Kiki Picasso demonstrierte.

Gleichzeitig waren die 1980er die Jahre eines erstmals im sprichwörtlichen Sinne explodierenden Kunstmarkts für das Schaffen der unmittelbaren Gegenwart, eines Marktes, der die Ware Kunst schneller verbrauchte, als sie hergestellt werden konnte. Oder wie es der hellsichtige Salomé während einer Diskussion mit dem trendsetzenden Documenta-Macher Manfred Schneckenburger (bezeichnenderweise in einem Zirkuszelt in Mannheim) ungefähr so ausdrückte: Ihr präsentiert uns den Käufern wie Diamanten und in ein paar Jahren lasst ihr uns fallen wie heisse Kartoffeln – was ja auch geschah und möglicherweise, dann mit anderen Shooting-Stars, wieder geschehen wird.





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